Dienstag, 25. April 2006

generationentreffen


Meistens sprechen alte Leute über langweilige Dinge. Sie verkünden zum Beispiel, wie groß ihre Nierensteine sind, oder können endlos über die fünftägige Wettervorhersage reden, oder sogar die Vorzüge von Marken- im Gegensatz zu Discounterinkontinenzwindeln diskutieren.

Die Geschichten meiner Großmutter sind da anders.

Letzten Sonntag, beim Mittagessen anlässlich der Taufe meines neuen Neffen, während sie sich mit ihren Stäbchen gerade eine weitere Nem Ninh Hoag von der Vorspeisenplatte fischte, erzählte sie mir, dass ihre Vogelspinne, das Honigblümle, gestorben sei.

"Sie wurde immer lethargischer, und ich wusste nicht warum. Neulich lag sie dann zu einem Haarbällchen zusammengerollt im Terrarium, tot." Sie seufzte.

"Also rief ich in der Zoohandlung an, um herauszufinden, woran es ihr gefehlt haben könnte. Ich sagte ihnen, dass ich das Terrarium immer schön mit Wasser einnebelte, und dass ich jeden Tag drei oder vier Grashüpfer reinsetzte, damit das Honigblümle genug Nahrung in Reichweite hat und nicht hungert. Ich wollte nicht, dass sie sich um die nächste Mahlzeit sorgen musste." Sie tunkte ihre Rolle in Chilisoße und erzählte weiter.

"Aber der Mann von der Zoohandlung sagte, das wäre zwar gut gemeint, aber vollkommen falsch gewesen. Man soll nur ein oder zwei Heuschrecken pro Tag füttern, mehr als das würden zuviel Hektik verbreiten, weil mindestens eine immer auf der Flucht vor dem Feind in nächster Nähe ist, und das hätte das Honigblümle ganz schön gestresst.“

Meine Mutter grinste. Sie wandte sich zu mir und sagte, "Im Grunde hat sie das Honigblümle mit einem Nervenzusammenbruch erledigt. Die ständig rumhüpfenden Heuschrecken haben das arme Tier so kirre gemacht, dass sie sich einfach zusammenrollte und starb."

Der Patenonkel meines Neffen und seine angetraute Ehefrau, beides langjährige Freunde meines Bruders, die neben uns saßen, folgten dem Gespräch mit immer größer werdenden Augen.

"Ich hatte nicht vor, sie umzubringen." sagte meine Großmutter. "Ich wusste es nicht besser. Ich glaube, wir werden ein neues Honigblümle finden müssen." Sie zuckte mit den Achseln.

Ich plinkerte ein paar Mal mit den Augen, als sie die Geschichte beendet hatte, unsicher, was ich dazu sagen sollte. Dann fing ich an zu lachen.

Meine Großmutter auch.

Dafür lieb ich sie.
OhBehave - 26. Apr, 18:12

Sehr liebenswert, in der Tat. Auch wie sie es erzählt haben.
Sehr junggeblieben ihre Großmutter, wie es scheint. Vorallem auch die Namesgebung "Honigblümle" amüsiert!
Gibts noch mehr solcher bemerkenswerten Personen in ihrer Verwandtschaft? (die Blogbetreiberin selbst kann als "bekannt" vorausgesetzt werden, darf aber in der Auflistung auch gern nochmal explizit genannt werden *fg*).
So ... ich muß wieder. Ich möchte meinem Piranja "Flossi" unbedingt noch vom "Honigblümle" erzählen - auch wenns schon tod ist. Aber es gibt ja bald ein Neues.

schmittskatze - 27. Apr, 22:30

Von meinem Standpunkt aus sind wir alle recht normal. Einfache, bodenständige Leute. Vom Dorf. Nun ja, es gibt noch die Geschichten, wie der Trecker in den Dorfteich kam oder wer in der Nacht zum 1. Mai Hahnebleeckens Gerdas Unaussprechliche an den Maibaum gehängt hat...
OhBehave - 28. Apr, 01:30

:=)

Beides sicherlich Geschichten die nach Verfilmung trachten.
Mit ihnen in der Hauptrolle?

die Rhön

Mittelgebirge in der Randlage zwischen Hessen, Thüringen und Bayern. Ihre Bewohner sind einerseits Bauern und Pendler, andererseits Rhönschafe und (kurz vor dem Aussterben) Auerwild.

was war

rückbezüglich
2006. Das Jahr in Kurzantworten. Zugenommen oder abgenommen? Endergebnis:.. .
schmittskatze - 11. Jun, 00:50
wirres
Da hab ich lange gedacht, mich erwischt es nicht....
schmittskatze - 8. Dez, 10:06
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Ich bin froh, dass ich den Pisa-Test für Schüler schon...
TheDarkListener - 25. Nov, 11:45
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schmittskatze - 15. Nov, 16:56

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